Grundsätzlich ist das Justizsystem (auch) in der Schweiz aus mehreren Instanzen aufgebaut. Wenn Du einen Strafbefehl erhälst, so wurde dieser von der zuständigen kantonalen Staatsanwaltschaft verfasst. Diese ist eigentlich die Untersuchungsbehörde und vertritt in einem Gerichtsverfahren die Seite des Staates (üblicherweise Anklagebehörde). Falls das von ihr geforderte Strafmass aber unter 180 Tagessätzen liegt (Art. 352, Abs. 1 StPO), kann sie dir direkt einen Strafbefehl zustellen (sogenanntes Strafbefehlsverfahren – Art. 352-356 StPO). Dies stellt – vereinfacht ausgedrückt – einen Urteilsvorschlag dar, wo sie kurz darlegen welche Straftaten sie glauben dir nachweisen zu können und was aus ihrer Sicht eine angemessene Strafe dafür wäre. Wenn Du einen Strafbefehl erhällst, schlagen wir dir folgendes Vorgehen vor:
- Strafbefehle werden immer als eingeschriebener Brief zugestellt. Wenn du mit anderen Menschen deinen Haushalt teilst, empfehlen wir dir, diese zu informieren, keine an dich adressierte Einschreiben entgegenzunehmen (Ausnahme: längere Abwesenheit von deinem Wohnort wie Ferien etc.). Dies ist wichtig, damit Fristen eingehalten werden können.
- Wenn du den Brief nicht persönlich entgegennehmen kannst, wird ein Abholschein von der Post hinterlegt. Dieser fordert dich auf, den Brief innerhalb einer Woche, bei aufgelisteter Postfiliale abzuholen. Du kannst diese Frist zwar bei der Post verlängern, dies hat aber keine Auswirkungen auf die gesetzlichen Fristen. Um diese einzuhalten ist es wichtig, dass du das Einschreiben auch wirklich in dieser ersten Woche abholen gehst.
- Wir empfehlen dir immer eine Einsprache gegen den Strafbehel zu machen. Dies um Zeit zu gewinnen und die Akten studieren zu können. Die Einsprache musst Du nicht begründen, sie muss jedoch im Rahmen der gesezlichen Frist von 10 Tagen (Art. 354, Abs. 1 StPO) erfolgen.
- Im Kanton Bern kann dies bei Volljährigen Personen direkt auf dem Strafbefehl gemacht werden. Du findest den entsprechenden Abschnitt auf der letzten Seite des Strafbefehls. Minderjährige müssen hingegen selbstständig einen Brief verfassen. Eine entsprechende Vorlage findest du hier. In jedem Fall muss das gesendete Dokumente deine rechtsgültige Orginalunterschrift aufweisen (keine Kopien).
- In jedem Fall lohnt es sich immer ein Foto oder eine Kopie der Dokumente zu erstellen. Vor allem beim Zurücksenden des Strafbefehls zwecks Einsprache, ist es wichtig für ein weiteres Vorgehen, dass du noch über eine Kopie der vollständigen Dokumente verfügst.
- Damit du im Zweifelsfall beweisen kannst, dass Du die Frist eingehalten hast, empfehlen wir dir die Einsprache ebenfalls eingeschrieben zu verschicken. Die Adresse der zuständigen Staatsanwaltschaft findest Du immer auf deinem Strafbefehl.
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- Falls du dies möchtest, empfiehlt es sich ab diesem Zeitpunkt eine Anwaltsperson zu kontaktieren und zu bevollmächtigen. Diese kann sich dann um die weiteren Schritte in deinem Namen kümmern. Grundsätzlich kannst du auch schon vorher eine Anwaltsperson einschalten, wirkliche Vorteile bringt es dir in unseren Augen aber erst ab diesem Zeitpunkt (so können Anwält*innen etwa sich die Akten zustellen lassen). Dabei solltest du aber bedenken, dass anwaltliche Vertretung relativ teuer ist und diese Kosten im Falle einer Verurteilung bei dir liegen werden.
- Solltest Du dich dazu entscheiden (noch) keine Anwaltsperson beizuziehen, kannst du dich auch gerne bei uns melden. Wir empfehlen dir aber grundsätzlich zuerst noch folgende Schritte zu beachten:
- Melde Dich – am besten telefonisch – bei der zuständigen Staatsanwaltschaft und vereinbare einen Termin für die Akteneinsicht bei dieser Behörde (Adresse und Telefonnummer findest du auf dem Strafbefehl).
- An diesem Termin kannst du deine vollständige Akte im betreffenden Strafverfahren einsehen. Wir empfehlen in jedem Fall Kopien der Dokumente zu erstellen. Aus Kostengründen raten wir dazu, diese leserlich zu fotografieren. Sollte dies nicht möglich sein, so empfiehlt es sich trotzdem Kopien erstellen zu lassen. Die Kopierkosten bei der Staatsanwaltschaft sind allerdings recht hoch. Für eine sinnvolle Besprechung deines Falles mit uns oder einer Anwaltsperson sind deine Akten jedoch sehr wichtig.
- Falls du uns bisher noch nicht kontaktiert hast, ist jetzt ein guter Zeitpunkt. Melde dich per Mail mit deinem Anliegen und wir können ein Treffen vereinbaren. Natürlich kannst du dich bereits früher bei uns melden mit Anliegen und Fragen. Inhaltlich besprechen lässt sich dein Fall jedoch erst ab jetzt, wo du alle juristisch wichtigen Informationen hast
- An diesem Treffen können wir (oder eine Anwaltsperson) mit dir schauen ob es Sinn macht an der Einsprache festzuhalten und das Verfahren vor Gericht zu ziehen oder ob es besser ist die Einsprache wieder zurückzuziehen. Grundsätzlich gilt die Einsprache weiter bis du diese wieder zurück ziehst. Dies ist bis kurz vor dem Gerichtstermin möglich. Den Rückzug der Einsprache musst du ebenfalls nicht begründen, eine mögliche Vorlage dafür findest du hier. Falls du aber an der Einsprache festhalten willst, gibt es aber einige wichtige Punkte zu beachten.
- Nach einer Einsprache kann es gut sein, dass dich die zuständige Staatsanwaltschaft zu einer (weiteren) Einvernahme vorlädt. Hierbei ist es wichtig zu beachten, dass du an diesem Termin auch tatsächlich erscheinst. Wenn du diesen verpasst, gilt deine Einsprache automatisch als zurückgezogen und der Strafbefehl wird rechtskräftig.
- Gerade in Bern verschickt die Staatsanwaltschaft oft einen Brief, dass sie dir empfehlen die Einsprache bis zu einer gewissen Frist zurückzuziehen oder zumindest zu begründen. Dieses Schreiben hat keine verfahrensrechtliche Relevanz und kann ignoriert werden. Allerdings ist es so, dass die Staatsanwaltschaft üblicherweise zusätzliche Verfahrenskosten geltend macht (ca. 200-300.- CHF) nachdem sie die Akten dem Gericht übergeben hat. Dies macht sie meist nach Ende der Frist in diesem Schreiben. Falls du schlussendlich deine Einsprache zurückziehen willst, ergibt es Sinn dies aus Kostengründen bis spätestens kurz vor diesem Zeitpunkt zu tun.
